Habt ihr euch nicht auch schon mal gefragt, warum Golfschläger alle unterschiedlich lang sein müssen? Macht das unser Leben nicht unnötig kompliziert? Wenn alle Schläger gleich lang wären, würden wir den Ball dann nicht automatisch besser treffen? Ich jedenfalls hab das Gefühl, die unterschiedlichen Längen machen es irgendwie nicht einfacher.
Der verrückte Professor
Die gleichen Fragen muss sich auch Bryson DeChambeau (Spitzname “The Mad Scientist”) irgendwann gestellt haben. Er spielt ja seit seiner Jugend mit gleichlangen Eisen und hat vor kurzem damit zum zweiten Mal die US Open gewonnen. Bryson war auch einer meiner ersten Suchtreffer, als ich im Winter 2017 das Thema gleichlange Eisen im Internet zu recherchieren begann.
Sie nannten ihn Sheldon
Er war damals noch ein Rookie auf der Tour und spielte mit einem Set gleichlanger Eisen von Edel Golf. Es kursierten Geschichten über ihn, wie er als Jugendlicher mit Hilfe seines damaligen Trainers sein erstes Set selbst gebaut hatte. Mit seiner skurrilen Art, Golf zu spielen, eckte er überall an und hatte sogar Probleme, einen Platz in einem College-Golf-Team zu finden. Trotzdem gewann er mit seinen „komischen Golfschlägern“ 2015 die wichtigsten Turniere für Amateure: Die NCAA und die US Amateur Championship. Das war vor ihm nur Tiger Woods, Jack Nicklaus, Phil Mickelson und Ryan Moore gelungen
Aber Bryson war nicht der Erste – schon 1930 hat Bobby Jones mit gleichlangen Eisen gespielt und viel gewonnen, unter anderem den Grand Slam. Auch Moe Norman hat angeblich mit Schlägern gespielt, die alle gleich lang waren. Komischerweise hat sich das Konzept von gleichlangen Schlägern aber nie für den Massenmarkt durchgesetzt. Es gab nur ein paar Nischenanbieter.
Günstige Online Sets
Zum Beispiel bietet Value Golf mit den Pinhawk Single Length Irons bis heute einen relativ günstigen Satz an, mit 45 Dollar pro Schläger. Tom Wishon entwickelte ebenfalls zwei Sets: Sterling Single Length und die EQ1-NX, bei denen es sogar gleichlange Hölzer gibt. Und von Edel Golf gab es damals natürlich auch ein Set.
One Length Fitting in Hamburg
Ich fand Bryson und seine Denkweise über Golf schon damals faszinierend und erhoffte mir von einem Set gleichlanger Eisen die Lösung für all meine Golfprobleme. Aber woher sollte ich ein solches Set bekommen? Selbst bauen? Das traute ich mir nicht zu. Ein Set blind im Internet bestellen? Das war mir zu gewagt. Zum Glück fand ich nach langer Recherche und vielen Mails einen Pro in Hamburg, der auch als Fitter und Schlägerbauer arbeitet und sich schon mit dem Konzept der gleichlangen Eisen beschäftigte. Walter Stark hat mich im Peiner Hof gefittet und mir dann drei Eisen gebaut: 6, 8 und PW. Alle Schläger waren gleich lang, gleich schwer, hatten den gleichen Lie und die gleiche Schwungcharakteristik. Nur im Loft und Offset unterschieden sich die Schläger voneinander.
Cobra, Bryson und One Length
Gleichzeitig mit meiner kleinen Odyssee nahm auch die von Bryson richtig Fahrt auf. Inzwischen bei Cobra unter Vertrag, begann er gemeinsam mit der Entwicklungsabteilung einen ersten Consumer-Satz für gleichlange Eisen zur Marktreife zu bringen. Aber die Popularität von Bryson wollte irgendwie nicht richtig zünden. Er stand sich damals noch oft selbst im Weg: Für viele war er einfach ein Sonderling. Zum einen lief er mit dieser “bescheuerten Mütze” (Zitat No Laying Up) durch die Gegend.
Zum anderen hatte er sich schon in Jugendjahren einen Single-Plane-Schwung antrainiert, der total merkwürdig aussah, und viele dachten, man müsse so schwingen, um gleichlange Eisen spielen zu können. Bryson hat aber immer das Gegenteil behauptet: Um mit jedem Schläger auf einer Ebene schwingen zu können, braucht er gleichlange Eisen und Wedges. Aber ein gleichlanges Eisenset kann man auch mit einem normalen Schwung spielen. Die Idee dahinter ist, dass sich jeder Schläger wie ein Eisen 7 spielt. Und das kann ja wohl jeder.
Mein eigenes Set mit gleich langen Eisen
Währenddessen kam ich mit meinen drei gleichlangen Schlägern immer besser zurecht und bestelle mir bei Walter Stark nach und nach weitere Schläger bis mein Satz vom Lob Wedge bis zum Eisen 4 voll war. Pascal und ich lernten uns damals auf einem Turnier kennen und er verpasste mir sofort den Spitznamen „Ironheart“ weil ich nur Eisen im Bag hatte.
Ich zeige hier mal mein Schwung mit einem der Eisen, um zu zeigen, dass man die auch mit einem ganz normalen Schwung spielen kann. Man hört in diesem Video übrigens das für die Eisen typische helle Schlaggeräusch bei den Eisen 7 und länger. Hier auch die Daten von dem Set. Eisen 5 und 4 sind eigentlich Quatsch bei meiner Schwunggeschwindigkeit. Aber das i4 habe ich immer statt Driver vom Tee gespielt und bin damit sehr gut gefahren.
Meine Sterling Single Length Eisen
| LW | SW | GW | PW | i9 | i8 | i7 | i6 | i5 | i4* | |
| Schaftlänge | 37″ | 37″ | 37″ | 37″ | 37″ | 37″ | 37″ | 37″ | 37″ | 37″ |
| Gewicht in gr | 416 | 416 | 416 | 413 | 419 | 419 | 419 | 417 | 417 | 418 |
| Lie | 64° | 64° | 64° | 64° | 64° | 64° | 64° | 64° | 64° | 64° |
| Loft | 60° | 55° | 50° | 45° | 40° | 35° | 31° | 27° | 23° | 19° |
| Offset | 2,5 | 2,5 | 2,5 | 2,5 | 2,5 | 3 | 3,5 | 3,5 | 4 | 4 |
| Angel of Attack | -3,7 | -3,1 | -3,3 | -3,2 | -3,3 | -3,7 | ||||
| Clubspeed | 77 | 75 | 78 | 77 | 78 | 77 | ||||
| Carry | 70m | 83m | 96m | 109m | 119m | 130m | 139m | 147m | 145m | 160m |
Bei einem Test vom Youtube-Channel Club Champion haben die Wishon Sterling sehr eindrucksvolle Werte abgeliefert:
Merkwürdigerweise hat heute keine der großen Marken außer Cobra Single Length Eisen in ihrem Programm. Fachleute halten das Konzept zwar für überzeugend, sehen aber keinen großen Markt. Vielleicht müssten dafür erst weitere Pros Erfolge mit One Length Eisen feiern. Ohne Stars verkaufen sich Schlägermarken nur schwer. Meine Sterling Single Length sind heute gar nicht mehr zu kriegen, wenn nur vereinzelt über ebay USA oder Australien.
Longhitter Bryson
Bryson selbst hat eine beeindruckende Verwandlung durchgemacht: Er trägt endlich ein richtiges Golfcap, ist zum Longhitter geworden und für sehr viel Geld zu LIV Golf gewechselt. Er spielt immer noch Eisen mit gleicher Länge, ist aber nicht mehr bei Cobra unter Vertrag. Vermutlich ist er dank LIV jetzt so reich, dass er seine eigenen Prototypen in Auftrag geben kann. Letztes Jahr hat er jedenfalls ein Set gespielt, das Ping individuell für ihn gebaut hat, obwohl der Konzern selbst gar keine Pläne hat, so etwas ins Programm aufzunehmen.
Ein neuer Player am Markt
Dieses Jahr spielt Bryson ein Set von Avoda, einem sehr kleinen Schlägerhersteller. Sie haben Bryson ein Set gebaut, das “außer ihm niemand spielen kann,” erzählt Firmengründer Tom Bailey auf Golf Digest. Seine irre Schwunggeschwindigkeit wurde Bryson insofern zum Problem, als dass bei Nicht-Center-Treffern auf den Eisen zu viel Spin war. Ein Problem, mit dem er jahrelang zu kämpfen hatte und was sie schließlich für ihn lösen konnten.
„Bryson’s clubs are Bryson-specific. It will be cool to see people test and hit his irons, and very quickly they would find out that these clubs wouldn’t be the best option for them.“
Tom Bailey, Avoda Golf
Avoda baute ihm ein Set mit Schlägerköpfen aus dem 3D-Drucker, deren Schlagfläche nach außen gebogen war, um dann Dank des Gear-Effekts diese Miss-Hits auszugleichen. Sowas braucht kein Hobbygolfer – trotzdem verkauft Avoda aktuell online Sets mit gleichlangen Eisen für jedermann. Die Sets starten bei über 1.200 Dollar und können bislang in Deutschland nirgendwo gefittet werden
Der Ansatz von Cobra
Interessant in diesem Zusammenhang ist noch ein Interview mit Tom Olsavsky, dem Head of R&D bei Cobra. Dort meint man festgestellt zu haben, dass viele Golfer gar nicht in der Lage sind, jeden Schläger gleich zu schlagen. Ein PW wird bei diesen Golfern immer anders behandelt als ein Eisen 5, auch wenn beide Schläger exakt gleich lang sind und gleich viel wiegen. Der Attack Angle ist beim PW ein anderer, und manche Golfer schwingen ein PW gar nicht so schnell wie ein Eisen 5, einfach weil sie mit dem Schläger etwas anderes machen wollen als mit einem Eisen 5. Das konnte ich für mich nicht feststellen, aber jeder ist ja bekanntlich verschieden. Cobra jedenfalls baut deswegen das One Length Set mit unterschiedlichem LIE. Am Ende hat man dann einen Eisensatz, wo der Abstand zum Ball immer der gleiche ist. Andere Konzepte gehen da aber noch weiter.
Mein heutiges Setup
Zur Zeit steht das Sterling Single Length Set bei mir ungenutzt in der Ecke. Ich spiele seit zwei Jahren ein normales Set von Mizuno und hab mir vor kurzem ein 12 Jahre altes AP2-Set von Titleist dazu gekauft. Hauptsächlich weil ich immer noch auf der Suche nach den für mich passenden Schäften bin. Aber das Konzept der gleichlangen Eisen ist mir nie aus dem Kopf gegangen, und online stolpere ich immer mal wieder über Erfahrungsberichte von Leuten, die auf ihre gleichlangen Eisen schwören. Ich schätze, wenn das richtige Set um die Ecke käme, wäre ich bestimmt nochmal dabei.
Fazit
Ich glaube, das Konzept der gleichlangen Eisen ist eine geniale Idee, und die bisherigen Sets funktionieren gut. Aber es ist schade, dass die Konzepte nicht weiterentwickelt werden – außer vielleicht bei Cobra, Wishon und Avoda. Wenn Mizuno, Titleist oder Ping auf den Zug aufspringen würden, könnte es nochmal sehr spannend werden. Persönlich bin ich fest davon überzeugt, dass es jedem Anfänger einen leichteren Einstieg bietet und hilft, einen besseren Schwung zu entwickeln, weil man nicht andauernd umstellen muss: Man steht immer gleich am Ball und schlägt im Prinzip auch jedesmal gefühlt ein Eisen 7.
„Als Bryson mit seinen gleichlangen Schlägern auf der Bildfläche auftauchte, war der Zulauf schon sehr groß. Aber mittlerweile hat das Interesse wieder abgenommen, obwohl Bryson immer noch für Furore sorgt. Trotzdem: Wir verkaufen auch heute noch Single Length. Wenn wir Fitter das jemanden empfehlen, wird es in der Regel auch angenommen.“
Walter Stark, True Custom Fitting
Es ist auch für Golfer hilfreich, die wenig Zeit zum Trainieren haben, sowie für große Golfer, die mit kurzen Schlägern Probleme haben. Und wenn man den vielen Online-Erfahrungsberichten Glauben schenkt, haben auch sehr gute Spieler von dem Konzept profitiert. Bryson selbst ist populärer denn je und sorgt mittlerweile für Top-Einschaltquoten. Vielleicht spornt das ja den ein oder anderen Nachwuchs-Star an, in der kommenden Profikarriere auch auf One Length zu setzen und das Konzept erlebt einen zweiten Frühling.
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